Im Frühjahr 2025 wurde der Trojaner Webrat erstmals in der Breite beobachtet – damals vor allem verbreitet über Cheats für Rust, Counter-Strike und Roblox sowie über raubkopierte Softwarepakete. Im Herbst haben die Betreiber ihre Taktik deutlich verfeinert: Webrat wird nun über scheinbar legitime GitHub-Exploits verteilt und adressiert damit insbesondere Studierende und Nachwuchskräfte in der IT-Sicherheit.
Vom Game-Cheat zum „Bildungs-Exploit“: Die neue Tarnung von Webrat
Aktuelle Analysen zeigen, dass sich die Kampagne eng an frische Schwachstellen (CVEs) anlehnt, die in Sicherheitsbulletins für Aufmerksamkeit sorgen. In den Repo-Beschreibungen tauchen unter anderem CVE-2025-59295 (CVSS 8,8), CVE-2025-10294 (9,8) und CVE-2025-59230 (7,8) auf. Teilweise existieren für diese Lücken echte Proof-of-Concept-Exploits (PoCs), teilweise nicht – für Angreifer zählt vor allem der Hype.
Diese Vorgehensweise erinnert an frühere Kampagnen rund um prominente Schwachstellen wie RegreSSHion, bei denen frühzeitig angebliche „Working PoCs“ kursierten, lange bevor verlässliche Exploits veröffentlicht wurden. Angreifer nutzen hier nicht nur Software-Schwachstellen, sondern gezielt die Neugier und den Zeitdruck von Security-Teams und Lernenden, neue Angriffsvektoren schnell testen zu wollen.
Verteilung über GitHub: Social Engineering für Sicherheitsinteressierte
Glaubwürdige Repositories mit KI-generierten Beschreibungen
Die identifizierten bösartigen Repositories sind optisch kaum von echten Forschungsprojekten zu unterscheiden. Sie enthalten ausführliche Readmes mit Überblick zur Schwachstelle, Angaben zu betroffenen Produkten, detaillierten Installationsschritten, Beispielbefehlen und sogar Empfehlungen zur Risikoreduzierung. Stil und Aufbau erinnern stark an KI-generierte Texte: wiederkehrende Formulierungen, sehr allgemeine Ratschläge und kaum projektspezifische Details.
Für weniger erfahrene Nutzer wirkt ein solches Repository vertrauenswürdig – es gibt technische Details, „Dokumentation“ und mitunter Links auf echte Security-Advisories. In der Praxis reicht das häufig aus, damit Studierende oder Junior-Analysten den Code herunterladen und ausführen, ohne eine tiefergehende Sicherheitsanalyse vorzuschalten.
Passwortgeschützte Archive und getarnte Loader
Typisch für die Kampagne ist ein deutlich hervorgehobener Link wie „Download Exploit ZIP“, der auf ein passwortgeschütztes Archiv im selben Repository verweist. Der nötige Passwort-String versteckt sich im Namen einer Datei im Inneren, sodass Nutzer gezwungen sind, den Inhalt zu entpacken und zu öffnen. Im Archiv liegen in der Regel vier Dateien, von denen eine als Loader für den Webrat-Backdoor fungiert, jedoch als Bestandteil des angeblichen Exploits getarnt ist.
Diese Technik kombiniert technische Verschleierung mit Social Engineering: Das Passwort erzeugt den Eindruck von Exklusivität und „leakbarem Insider-Tool“, während die PoC-Inszenierung suggeriert, es handle sich um legitimen Forschungscode für Tests in Laborumgebungen.
Funktionalität des Webrat-Backdoors: Von Datendiebstahl bis Botnetz-Knoten
Webrat ist ein typischer Remote-Access-Trojaner (RAT) mit breitem Funktionsumfang für Fernsteuerung und Überwachung kompromittierter Systeme. Nach erfolgreicher Infektion können Angreifer den Rechner vielseitig missbrauchen.
Datendiebstahl: Webrat zielt auf Kryptowährungs-Wallets, gespeicherte Zugangsdaten und aktive Sitzungstokens beliebter Dienste wie Telegram, Discord oder Steam. Der Zugriff auf solche Konten kann unmittelbar zu finanziellen Verlusten sowie zur Übernahme persönlicher und beruflicher Accounts führen.
Spionage und Monitoring: Der Trojaner kann Bildschirmaufnahmen erstellen, Webcam und Mikrofon im Hintergrund aktivieren und Nutzeraktivitäten protokollieren. Dadurch lassen sich sensible Inhalte wie interne Dokumente, Admin-Oberflächen oder beim Tippen sichtbare Passwörter abgreifen.
Keylogging und Remote Control: Durch das Mitschneiden von Tastenanschlägen rekonstruiert Webrat Logins und andere vertrauliche Eingaben. Parallel erlauben Remote-Control-Funktionen den Angreifern, den infizierten Host als Botnetz-Knoten zu nutzen oder als Ausgangspunkt für weitere Angriffe in Unternehmensinfrastrukturen.
Warum besonders Studierende und Junior-Security-Spezialisten im Fokus stehen
Technisch setzt Webrat nicht auf völlig neue Verfahren; ähnliche RAT-Funktionalitäten sind in der Fachliteratur gut beschrieben. Erfahrene Pentester und Malware-Analysten prüfen PoCs in der Regel in isolierten virtuellen Maschinen oder Sandboxes, deaktivieren Zugriff auf reale Daten, Hardware und Konten und beobachten Netzwerkverkehr und Systemaufrufe.
Viele Studierende und Berufseinsteiger verfügen dagegen noch nicht über eine gefestigte „Operational Security“ (OpSec). In der Praxis werden gefundene PoCs oft direkt auf dem Hauptsystem ausgeführt – dort, wo Messenger, Kryptowährungs-Wallets, Gaming-Clients und teils auch Studien- oder Arbeitsdaten liegen. Dieses Verhalten macht sie zu einer besonders attraktiven Zielgruppe für Kampagnen wie Webrat.
Best Practices: Sicherer Umgang mit Exploits, PoCs und GitHub-Repositories
1. Grundsätzlich nur in isolierten Umgebungen testen. Unbekannte Exploits und Tools sollten ausschließlich in Test-VMs oder spezialisierten Sandboxes laufen – ohne Zugriff auf reale Accounts, Dokumente, Webcam oder Mikrofon.
2. Reputation von Repositories kritisch prüfen. Erstellen Sie ein Mindestprofil: Wann wurde das Repo angelegt? Gibt es Commit-Historie, Issues, Diskussionen? Ist der Account des Autors neu oder ohne weitere Projekte? Frische Accounts mit generischen Beschreibungen sind klare Warnsignale.
3. Archive und Binaries vor Ausführung analysieren. Dateien sollten vor dem Start zumindest durch aktuelle Antivirus-Lösungen oder Online-Analysedienste geprüft werden. Bei verfügbarem Quellcode lohnt sich ein Blick auf Netzwerkfunktionen, Dateizugriffe und Prozessstarts.
4. Misstrauen bei „geheimen“ PoCs und Passwort-Archiven. Neu veröffentlichte CVEs mit angeblich exklusiven Exploits im passwortgeschützten Archiv sind besonders kritisch zu hinterfragen – insbesondere, wenn es keine Bestätigung durch Vendoren, etablierte Forscher oder renommierte Security-Communities gibt.
5. Security-Basics in Ausbildung und Selbststudium verankern. In Studiengängen und Trainings zu IT-Sicherheit sollten sicherer Malware-Umgang, der Einsatz von Sandboxes, grundlegende Reverse-Engineering-Methoden und Erkennungstaktiken für Backdoors einen festen Platz haben – nicht nur die Theorie zu Schwachstellen und Exploits.
Die aktuelle Webrat-Kampagne über gefälschte GitHub-Exploits zeigt, wie schnell sich Angreifer an Trends und Lernbedürfnisse der Security-Community anpassen. Wer PoCs testet, sollte deshalb seine Arbeitsgewohnheiten konsequent hinterfragen: strikte Isolation der Testumgebung, sorgfältige Prüfung von Quellen und ein gesundes Maß an Skepsis gegenüber „zu guten“ Angeboten gehören heute zur Grundhygiene. Wer diese Prinzipien früh verinnerlicht, reduziert das Risiko einer Kompromittierung deutlich – und stärkt gleichzeitig die eigene Professionalität im Umgang mit moderner Cyberbedrohung.